Immobilienfinanzierung Versicherer bauen auf Bauherren

Baufinanzierung

Immobilienfinanzierung Versicherer bauen auf Bauherren

Baugeld nicht von der Hausbank, sondern vom Versicherer: Schuldenkrise, niedrige Renditen und schärfere Eigenkapitalregeln drängen die Versicherer bei der Kapitalanlage immer stärker in die Baufinanzierung. Private und gewerbliche Bauherrren profitieren davon.

Hamburg – Schuldenkrise, Börsen-Kursturz, Niedrigzinsen – wer Geld anlegt, hat derzeit wenig Freude. Da geht es Großinvestoren nicht anders als Privatanlegern. Viel Fluchtkapital fließt seit Zuspitzung der Krise in diesem Sommer in Gold oder landet in niedrig verzinsten Geldmarktprodukten. Immer mehr Menschen stecken ihr Geld aber ebenso in Immobilien, was die Preise vereinzelt kräftig anziehen lässt. Die Bauzinsen sind niedrig, und selbst langfristige Zinsbindungen derzeit attraktiv.

„Baugeld ist billig wie selten“, sagt auch Marcus Preu vom Finanzdienstleister Biallo.

Den milliardenschweren Markt für Wohnungsbaufinanzierung teilen Sparkassen, Bausparkassen, Genossenschafts- und Kreditbanken zu rund 90 Prozent unter sich auf, berichtet der Verband der Privaten Bausparkassen. Versicherer spielen nach Allianz-Schätzungen mit einem Marktanteil von rund 5 Prozent noch eine untergeordnete Rolle. Doch sie machen den herkömmlichen Kreditinstituten das Leben zusehends schwerer und dringen vereinzelt mit viel Energie in diesen Markt – auch in den für gewerbliche Baufinanzierungen.

„Die aktuellen Versicherungsangebote im Privatkundenbereich stehen in direkter Konkurrenz zu den Angeboten etablierter Banken“,

stellt Stephan Gawarecki, Vorstandsprecher des Kreditvermittlers Dr. Klein fest. Einzelne Assekuranzen hätten ihr Engagement in dem Bereich um bis zu 60 Prozent ausgebaut. Der Wettbewerb fokussiere sich auf niedrigere Beleihungsausläufe, da Versicherer maximal bis zu einem Beleihungswert von 80 Prozent wettbewerbsfähige Konditionen anbieten, sagt der Experte gegenüber manager magazin Online.

Dabei setzen die Versicherer verstärkt

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ergänzt Max Herbst von der FMH Finanzberatung. Das ist insofern verständlich, als die Assekuranz in ihren Versicherungsversprechen – etwa die Auszahlung einer Lebensversicherung – ebenfalls mit langen Vertragslaufzeiten kalkuliert. Baufinanzierungen, die mitunter mehr Zinsen als Pfandbriefe oder Staatsanleihen abwerfen, stellen somit die „ideale Möglichkeit einer fristenkongruenten Anlage“ dar, sagt Gawarecki.

Die Offerten der Assekuranz haben es in sich: Ihre Angebote zum Bespiel für eine 80-Prozent-Finanzierung mit 20 Jahren Laufzeit (Darlehen 200.000 Euro, ein Prozent Tilgung) dominieren regelmäßig die Top-Ten-Listen sowohl von FMH als auch des Finanzdienstleisters Biallo. Selbst bei 60-Prozent-Finanzierungen und zehn Jahren Laufzeit stelle die Assekuranz nicht selten die Hälfte der besten zehn bis 20 Angebote, sagt Marcus Preu von Biallo.

An konditionsstarken Offerten der Assekuranz fehlt es also nicht. Sie könnten sich im kommenden Jahr sogar noch verbessern. Denn dann fällt der gesetzlich garantierte Mindestzins, mit dem die Versicherer den Sparbeitrag ihrer Kunden verzinsen müssen, auf 1,75 Prozent.

„Je weiter sich der Mindestzins von den Kreditzinsen entfernt, desto wettbewerbsstärker sind die Versicherer natürlich in der Baufinanzierung gegenüber Banken“,

sagt Achim Reif, Bereichsleiter Immobilienfinanzierung vom Verband der Pfandbriefbanken gegenüber manager magazin.

Der zentrale Unterschied liegt in der Finanzierung der Kredite: Banken refinanzieren die ausgegebenen Darlehen am Kapitalmarkt über Anleihen und Pfandbriefe, sind vom dortigen Zinsniveau abhängig. Versicherer dagegen legen schlicht das Geld ihrer Kunden an.

Dem Kunden sind derlei Hintergründe vermutlich gleich. Immer mehr Käufer und Bauwillige ziehen schon jetzt die konditionsstarken Baufinanzierungsangebote der Assekuranz in die engere Wahl, wie Finanzexperte Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg berichtet.

Lebensversicherer Allianz und Debeka profitieren

Die Allianz Lebensversicherung profitiert davon. Im ersten Halbjahr 2011 hat der Lebensversicherer im Baufinanzierungsneugeschäft 8 Prozent mehr Darlehensverträge abgeschlossen als im Vorjahreszeitraum. Die abgeschlossene Darlehenssumme wuchs um 53 Prozent. „Wir erwarten, dass sich die steigende Tendenz im zweiten Halbjahr fortsetzen wird“, sagt eine Sprecherin. Dazu beitragen soll die Ende Juli vereinbarte Kooperation mit der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Die 500 freien Vermittler der LBBW sollen künftig für Baufinanzierungen der Allianz werben – zum Beispiel dann, wenn die Zinsbindungsfrist der LBBW-Verträge abläuft.

Mit Baudarlehen von 13 Milliarden Euro im Bestand und 100.000 Kunden zählt die Allianz Leben zu den größten Baufinanzierern unter den Assekuranzen. Diese Kredite machen 8 Prozent ihres Kapitalanlagebestands aus, im Branchenschnitt der Lebensversicherer sind es laut Finanzaufsicht Bafin 6,7 Prozent.

Die Debeka Lebens- und Krankenversicherung beziffert ihren Baudarlehensbestand auf rund vier Milliarden Euro, was 6,5 Prozent der Kapitalanlagen entspricht. Zusammen mit der Debeka Bausparkasse beläuft sich der Kreditbestand auf rund acht Milliarden Euro. „Die Nachfrage ist bereits seit einigen Jahren und auch derzeit erfreulich hoch“, sagt auch Debeka-Chef Uwe Laue gegenüber manager magazin Online. Die Zahl der Finanzierungen der beiden Versicherungsvereine kletterte in den ersten acht Monaten dieses Jahres gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 37,6 Prozent, das abgeschlossene Volumen um 52 Prozent.

Lebensversicherern wie der Allianz Leben und der Debeka gelingt es also, das Geschäft mit Baukrediten deutlich zu steigern, für die Lebensversicherer insgesamt trifft dies so nicht zu. Die Finanzaufsicht Bafin beziffert auf Anfrage den Bestand der Kredite der Lebensversicherer zum Ende des zweiten Quartals 2011 auf 49,8 Milliarden Euro; im Vorjahresquartal waren es noch 51,5 Milliarden Euro.

Für alle Erstversicherer – (inklusive Pensions- und Sterbekassen, Kranken- sowie Schaden- und Unfallversicherer) fiel der Bestand an Baukrediten analog von rund 57,4 auf rund 55,9 Milliarden Euro. Die Baudarlehen der versicherungseigenen aber von den Versicherern rechtlich getrennten Bausparkassen sind in diesen Zahlen nicht enthalten.

Trotz des leichten Rückgangs über alle Erstversicherer gilt das Baufinanzierungsgeschäft in der Assekuranz als attraktiv. Zum einen werfen Baudarlehen nicht selten höhere Zinsen ab als Versicherer sie derzeit mit Pfandbriefen oder Staatsanleihen erwirtschaften können, bestätigt die Debeka. Zum anderen zeichne sich die Kapitalanlage in Immobilienfinanzierungen durch „sehr geringe“ Ausfallquoten aus.

„Die emotionale Bindung an die selbst genutzte Immobilie ist ein starkes Motiv der Darlehensnehmer, ihre Finanzierung störungsfrei zu bedienen“,

sagt Debeka-Chef Laue. Auch die Allianz Leben spricht in diesem Zusammenhang von „treuen Kunden“.

Immobilien: Versicherer bevorzugen Finanzierung vor dem Direktinvestment

Experten sehen ein weiteres Motiv für das zum Teil stark zunehmende Engagement einzelner Versicherer in der Baufinanzierung. Die Eigenkapitalregeln Solvency II verlangen ab 2013, dass ein Immobilien-Direktinvestment wie Unternehmensanleihen mit 25 Prozent (eigenfinanziert) oder sogar 39 Prozent (fremdfinanziert) Eigenkapital zu unterlegen sind. Für ausgereichte Hypothekendarlehen fordert Solvency II nach gegenwärtigem Stand hingegen eine geringere Eigenmittelunterlegung von 15 Prozent.

„Mittlere und kleinere Gesellschaften, schauen sich vor dem Hintergrund von Solvency II die Baufinanzierung als Alternative zu anderen Investmentmöglichkeiten jetzt sehr genau an“,

sagt Dietmar Fischer, Partner bei Ernst & Young Real Estate, gegenüber manager magazin Online. Dr. Klein-Vorstand Hans Peter Trampe sieht die Entwicklung bereits weiter fortgeschritten. Die künftig schärferen Eigenkapitalregeln spielten schon jetzt eine „maßgebliche Rolle“ beim Anlageverhalten der Versicherer. Denn auch aktuelle Investments müssten künftig diesen Regeln folgen. „Versicherer antizipieren dies und bevorzugen schon heute die Finanzierung vor dem Investment“, sagt Trampe im Gesrpäch mit manager magazin.

Beispiel für diese Neuorientierung ist einmal mehr die Allianz. Ihre Immobilientochter Allianz Real Estate kündigte im Frühjahr an, in Deutschland in die Immobilienfinanzierung einzusteigen und eine Milliarde Euro in gewerbliche Hypotheken zu investieren. Deutschlandchef Stefan Brendgen begründete den Schritt mit der geringeren Eigenkapitalunterlegung gegenüber dem direkten Immobilieninvestment.

Im Sommer folgte dann der Paukenschlag. Die Immobilientochter finanzierte im Auftrag verschiedener Allianz-Gesellschaften den Erwerb der Deutsche-Bank-Zwilligstürme „Soll“ und „Haben“ mit 315 Millionen Euro. Wie wichtig der Allianz das neue Geschäftsfeld ihrer Tochter ist und mit welcher Verve sie hier den Banken das Wasser abzugraben versucht, zeigen Reaktionen aus der Bankenszene. Die Allianz sei bei der Finanzierung „brutalst aggressiv“ vorgegangen, das Pricing habe „jenseits einer vernünftigen Kalkulation“ gelegen, zitiert die „Immobilen-Zeitung“ einen erfahrenen Immobilien-Banker.

Finanzierungen gewerblicher Immobilien dieser Größenordnung sind in der Assekuranz bislang die Ausnahme. Und Lebensversicherer beteuern, ganz überwiegend Wohnimmobilien zu finanzieren. „Wir geben nur in Ausnahmen, bei sicherer Bonität und Toplage auch Kredite für Gewerbeimmobilien aus“, sagt eine Sprecherin der Allianz Leben. Ähnlich äußert sich die Debeka.

Die Bedenken der Assekuranz, das Geld der Versicherten nicht nur in private Baufinanzierungen, sondern auch in Kredite für den gewerblichen Mietwohnungsbau sowie in Kredite für Gewerbeimmobilien zu investieren, scheinen aber zu schwinden.

„Bankensektor wird sich verschärftem Wettbewerb stellen müssen“

Versicherer hätten ihr Engagement im großteiligen Baufinanzierungsgeschäfts – also im Bereich der Wohnungswirtschaft und der gewerblichen Finanzierung – deutlich ausgeweitet, berichtet Dr.-Klein-Vorstand Trampe. Von 450 Millionen Euro Finanzierungsvolumen im ersten Halbjahr stammen rund 220 Millionen von Versicherern und Pensionskassen. Der Anteil der für die Assekuranz vermittelten Kredite habe sich gegenüber dem Vorjahreszeitraum damit in etwa verdoppelt. „Dies ist keine Eintragsfliege“, ist Trampe überzeugt. „Der Bankensektor wird sich unter Basel III und Solvency II auf einen deutlich verschärften Wettbewerb mit der Versicherungswirtschaft einstellen müssen.“

Beim Immobilienfinanzierer Aaral Bank verfolgt man die Entwicklung offenbar mit Sorge und fürchtet, dass die Kreditinstitute unter den eigenen neuen Eigenkapitalanforderungen Basel III gegenüber den Versicherern ins Hintertreffen geraten könnten. Die Aufseher müssten aufpassen, dass sie die Versicherer durch falsche Anreize nicht unversehens zu Immobilienfinanzierern machten, äußerte sich kürzlich Bankchef Wolf Schumacher im Zeitungsinterview.

Der zunehmende Wettbewerb zwischen Assekuranz und Banken in der Baufinanzierung kann Privat- und Geschäftsleuten, die einen Kredit für ihr Eigenheim oder die neue Einkaufszeile suchen, nur recht sein. Dem Lebensversicherten im Grunde auch – so lange sein Versicherer bei der Kreditvergabe keine zu großen Risiken eingeht und dafür höhere Zinsen einstreicht. Denn die sollen ja schließlich seine Altersvorsorge vermehren.

Quelle:manager magazin Online 2011

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